Der S-Bahnverkehr ist weiter teilweise unterbrochen. Foto: Felix Hörhager
21.08.2017

Die Bilanz des Unwetters in Bayern

Dutzende Menschen wurden verletzt, die Sachschäden gehen in die Hunderttausende. Die Veranstalter des Chiemsee-Summer-Festivals in Übersee (Landkreis Traunstein) sagten am Samstag den letzten Tag des Events ab. Das habe die Bestandsaufnahme des Geländes mit Schäden an den Bühnen und der Infrastruktur ergeben, teilten die Organisatoren im Internet mit. Der Bahnverkehr war gerade in Ober- und Niederbayern am Samstag noch auf vielen Strecken wegen Ästen und Bäumen auf Gleisen beeinträchtigt.

Allein die Einsatzzentrale des Präsidiums Oberbayern Süd verzeichnete zwischen 21.00 und 1.00 Uhr mehr als 700 Einsätze, Notrufe waren zeitweise überlastet. «Im gesamten Bereich wurden Bäume umgeknickt und dadurch Straßen blockiert», hieß es. Äste und Bäume seien auf Autos gefallen, mehrere Menschen wurden verletzt. Auf dem Chiemsee suchte die Wasserwacht lange Zeit nach einem gekenterten Ruderboot. «Diese Mitteilung hat sich jedoch nicht bestätigt oder die Havarierten konnten sich selbst helfen.» Bei Siegsdorf (Landkreis Traunstein) mussten Feuerwehrkräfte einen Zug erden, nachdem dieser im Bereich einer herabgerissenen Stromleitung stehen geblieben war. Die etwa 90 Fahrgäste wurden in einer Turnhalle untergebracht.

«Die Gewitterneigung war bekannt, nun ist das südöstliche Oberbayern jedoch von einem weit heftigeren als von den Wetterdiensten zunächst prognostizierten Sturm überzogen worden», hatte die Polizei in der Nacht mitgeteilt. Laut Deutschem Wetterdienst waren vor allem in Südbayern binnen kurzer Zeit erhebliche Regenmassen niedergeprasselt. Hinzu kamen den Angaben zufolge schwere Sturmböen. Einige seien mit weit mehr als 100 Kilometern pro Stunde orkanartig gewesen.

Das Chiemsee-Summer-Festival und das Echelon-Festival in Bad Aibling (Landkreis Rosenheim) wurden abgebrochen. «Es wurden 50 Personen medizinisch behandelt, darunter auch viele, die durch die Ereignisse verängstigt waren und eine psychologische Betreuung in Anspruch genommen haben», teilten die Veranstalter des Chiemsee Summers mit. Zehn Menschen seien ins Krankenhaus gekommen. «Es gibt keine lebensbedrohlichen Verletzungen, was uns sehr erleichtert.»

Die Organisatoren hatten Verletzte über Soziale Netzwerke zu Sanitätern dirigiert. Eine Info-Hotline wurde für diejenigen eingerichtet, die Begleiter suchen. Weil die Campingplätze total verwüstet wurden, öffneten Notunterkünfte für Festivalbesucher. An einem Riesenrad wurden Gondeln nach Polizeiangaben vorsorglich abmontiert.

Beim Echelon-Festival meldete die Polizei etwa zehn Verletzte, darunter keiner schwer. Gäste kamen in einer Fliegerhalle unter.

Im Regierungsbezirk Niederbayern waren die Polizisten mehr als 250 Mal im Einsatz: Blitzeinschläge, abgedeckte Häuser, umgestürzte Bäume, auf der Fahrbahn liegende Äste, Stromausfälle von ganzen Ortschaften, (Fehl-)Alarme, Verkehrsunfälle mit Sachschaden, vollgelaufene Keller und überschwemmte Straßen. In Neustadt an der Donau fuhr ein Zug auf einen Baum. Die Einsatzkräfte mussten 20 Fahrgäste und den Zugführer befreien. Niemand wurde verletzt. Auf die Autobahn 3 bei Passau-Nord stürzten 15 bis 20 Bäume auf die Fahrbahn. In Kirchdorf im Wald erlitt ein Musiker in einem Bierzelt einen Stromschlag. Ein Blitz hatte in das Festzelt eingeschlagen.

Der Landkreis Passau hat am Samstag Katastrophenalarm ausgerufen. Neben überfluteten Straßen und Kellern sowie Stromausfällen blockieren derzeit viele Bäume die Straßen, wie die Polizei am Samstag berichtete. Daher würden derzeit Einsatzkräfte mobilisiert. Zuerst hatte die «Passauer Neue Presse» auf ihrer Internetseite darüber berichtet.

Bei den Aufräumarbeiten nach den schweren Unwettern sind im Landkreis Passau zwei Menschen gestorben. In Pocking starb ein Dachdecker, der bei Aufräumarbeiten abstürzte. Auslöser des Sturzes seien gesundheitliche Probleme des 68 Jahre alten Mannes gewesen, teilte das Landratsamt Passau am Sonntag mit. In Hauzenberg stürzte ein 94 Jahre alter Mann bei Aufräumarbeiten, er starb später im Krankenhaus.

Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West berichtete von rund 230 unwetterbedingten Einsätzen. Bei Verkehrsunfällen wegen Bäumen auf der Fahrbahn oder Aquaplanings wurden zwei Menschen verletzt. Umstürzende Bäume beschädigten mehrere Gebäude und geparkte Autos. Die A7 musste für etwa eine halbe Stunde zwischen Kempten-Leubas und Dietmannsried voll gesperrt werden, um einen Baum von der Fahrbahn zu entfernen. Den Gesamtschaden allein im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums schätzten die Beamten auf rund 150 000 Euro. In Günzburg wurde das Volksfestgelände mit bis zu 5000 Besuchern vorsorglich geräumt. Die Abendveranstaltung der Allgäuer Festwoche in Kempten lief den Angaben zufolge hingegen planmäßig bis zum Ende.

In München war am Freitagabend der S-Bahn-Verkehr für rund 40 Minuten komplett eingestellt worden. Wegen des Unwetters wurde auch die zweite Hälfte des Bundesliga-Auftaktspiels zwischen dem FC Bayern München und Bayer Leverkusen verspätet angepfiffen.

In Weßling (Landkreis Starnberg) wurde ein Mann auf einem Spielplatz von einem umstürzenden Baum getroffen, wie ein Polizeisprecher sagte. In der Oberpfalz wurden vier Menschen bei Verkehrsunfällen unter anderem wegen Aquaplanings verletzt. Die Polizei in Mittelfranken hatte schon ab Abend rund 200 wetterbedingte Einsätze verzeichnet.

Nach dem schweren Unwetter in Bayern vom Freitagabend ist der Fährbetrieb zur Roseninsel im Starnberger See eingestellt worden. Wie die Insel bleibe auch der Park Feldafing bis einschließlich Montag wegen entwurzelter Bäume gesperrt, teilte die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung am Samstag mit. Jetzt müsse erst die Sicherheit wieder hergestellt werden. Weil der Fährbetrieb ruhte, entfielen auch die Führungen im Casino auf der Roseninsel.

Am Montagmorgen sind die meisten Ortschaften im Landkreis Passau wieder mit Strom versorgt. Nur mehr kleine Weiler oder Gehöfte seien noch ohne Strom, teilte die Polizei am Montagmorgen mit. Im Laufe des Tages sollte auch hier die Versorgung wieder hergestellt sein. Bauernhöfe mussten zuvor mit Stromaggregaten versorgt werden, weil die Melkmaschinen wegen des Ausfalls nicht funktionierten.

Der Sturm in der Nacht auf Samstag hatte im Landkreis mehrere hundert Quadratmeter Wald beschädigt oder vernichtet. Besonders betroffen von dem Unwetter waren die Stadt Hauzenberg und die Gemeinde Thyrnau. Landrat Franz Meyer (CSU) sprach in der Region am Sonntag von einem «schockierenden Schadensbild» und von einer «Veränderung des Landschaftsbildes in manchen Landkreisteilen». Er warnte zugleich: «Das Betreten von Waldstücken ist auf Wochen lebensgefährlich.» Bei Aufräumarbeiten starben im Landkreis am Wochenende zwei Männer.

Der am Samstag ausgerufene Katastrophenalarm wurde vorerst aufrechterhalten. Ein Polizeisprecher ging am Montagmorgen davon aus, dass er im Laufe des Tages aufgehoben werde.

dpa-infocom

 

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