Beate Zschäpe. Foto: Peter Kneffel/Archiv
25.07.2017

Plädoyer im NSU-Prozess nach einer Unterbrechung fortgesetzt

Die Bundesanwaltschaft fordert eine Verurteilung der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe als Mittäterin an allen Morden und Anschlägen des «Nationalsozialistischen Untergrunds». Bundesanwalt Herbert Diemer sagte zum Beginn der Plädoyers am Dienstag im Münchner NSU-Prozess, die Anklagevorwürfe gegen Zschäpe und die vier Mitangeklagten hätten sich in allen wesentlichen Punkten bestätigt. Zschäpe sei «Mittäterin» bei den zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und den Raubüberfällen des NSU.

Das Strafmaß will Diemer erst am Ende des Plädoyers fordern, das 22 Stunden dauern soll, verteilt auf mehrere Tage. Zschäpe droht lebenslange Haft. Mit einem Urteil wird erst in einigen Monaten gerechnet.

Diemer bezeichnete Zschäpe als Mitgründerin und Mitglied einer terroristischen Vereinigung. Sie habe mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Menschen türkischer oder griechischer Herkunft ermordet, eine Polizistin getötet, einen Bombenanschlag auf das Geschäft einer iranischen Familie in Köln verübt und ebenfalls in Köln eine Nagelbombe mit großer Sprengkraft zur Explosion gebracht. Darüber hinaus habe Zschäpe gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt schwere Raubüberfälle begangen und nach dem Tod der beiden Freunde die letzte gemeinsame Wohnung des NSU in Zwickau in Brand gesteckt.

Die Anklage argumentiert, Zschäpe sei entgegen ihrer eigenen Aussage gleichberechtigtes Mitglied des NSU und in die Logistik der Taten arbeitsteilig eingebunden gewesen. «Die Täter, Hoher Senat, waren Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe», sagte Diemer. Oberstaatsanwältin Anette Greger ergänzte: «Zschäpe fungierte als Tarnkappe.» Die Männer hätten die Ziele ausgekundschaftet und die Anschläge ausgeführt. Zschäpes Aufgabe sei es gewesen, sich gegenüber den Nachbarn Alibis für Mundlos und Böhnhardt auszudenken, das Geld zu verwalten, für Telefon-SIM-Karten, Papiere und Waffen zu sorgen.

Außerdem habe Zschäpe die Taten dokumentiert. Nach dem Tod ihrer Freunde und dem Abfackeln der Fluchtwohnung habe sie lieber ihre Katzen bei Nachbarn zurückgelassen als auf eine «Veröffentlichung des filmischen Dokuments des gemeinsamen Lebenswerks zu verzichten», sagte Greger mit Blick auf ein zynisches Bekennervideo des NSU. Zschäpe hatte selber eingeräumt, Umschläge mit den Videos verschickt und so öffentlich gemacht zu haben.

Diemer bezeichnete die Verbrechen des NSU als die «heftigsten und infamsten» Terroranschläge seit denen der linksextremen Rote Armee Fraktion (RAF). «Motiv für all diese Verbrechen war rechtsextremistische Ideologie.» Das Ziel sei ein «ausländerfreies» Land gewesen. Die Bundesrepublik habe in ihren Grundfesten erschüttert werden sollen. Der NSU habe versucht, einem «widerwärtigen Naziregime den Boden zu bereiten». Die Opfer seien nur wegen ihrer ausländischen Herkunft «hingerichtet» worden. Sämtliche Opfer seien «willkürlich herausgegriffen» worden, sagte Diemer.

Plädoyer der Staatsanwaltschaft startet verspätet

Ursprünglich hätten die Plädoyers nach dem Willen des Oberlandesgerichts schon am vergangenen Mittwoch beginnen sollen – nach mehr als vier Jahren Prozessdauer. Juristisches Hickhack über eine mögliche Tonbandaufnahme der Schlussvorträge verhinderte dies aber. Letztlich verzichteten die Verteidiger am Dienstag aber auf neue Befangenheitsanträge, so dass die Plädoyers beginnen konnten.

Zschäpe lebte den Ermittlungen zufolge fast 14 Jahre mit Mundlos und Böhnhardt im Untergrund. Die beiden Männer sollen während dieser Zeit die zehn Morde, die Anschläge und Überfälle verübt haben. Zschäpe soll von allen Morden gewusst und diese unterstützt haben; sie selbst bestreitet das. Neben Zschäpe sitzen vier mutmaßliche Terrorhelfer auf der Anklagebank. Das Verfahren hatte am 6. Mai 2013 begonnen.

Vor der Sommerpause gibt es im Prozess noch vier Verhandlungstage, Fortsetzung ist dann Ende August. Nach der Bundesanwaltschaft sind die Nebenkläger und dann die Verteidiger mit den Plädoyers am Zug.

An den einzelnen Prozesstagen dürfte es viele Pausen geben. Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben beklagte am Dienstagmittag Probleme mit der Konzentrationsfähigkeit. Nachdem er von einem Arzt untersucht wurde, ging der Prozess weiter – allerdings stellte der Richter für die Dauer der Plädoyers regelmäßige Pausen nach jeweils 45 Minuten in Aussicht.


dpa-infocom

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