Bild: Daniel Naupold/Archiv
20.01.2020

Urteil im Stromschlag-Prozess: Elf Jahre Haft

11 Jahre Haft wegen versuchten Mordes in 13 Fällen

Das Landgericht München II hat am Nachmittag sein Urteil gefällt: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich der Informatiker aus Würzburg fälschlicherweise als Arzt ausgegeben und junge Frauen per Internet-Chat dazu gebracht hat, sich selbst lebensgefährliche Stromschläge zuzufügen. Der 30-Jährige soll in einer Psychiatrie untergebracht werden.

Nägel in Steckdosen, Elektroden an den Schläfen 

Der Informatiker aus Würzburg hat eingeräumt, sich als falscher Arzt ausgegeben und Frauen per Skype dazu gebracht zu haben, sich selbst lebensgefährliche Stromschläge zuzufügen.

Beweislast war erdrückend

Weil er das Ganze aufgezeichnet hat, gibt es Dutzende Video-Dokumente. Angeklagt war er wegen 88-fachen versuchten Mordes. Zu Beginn des Prozesses entschuldigte er sich bei einem seiner Opfer: „Ich wollte nur mal sagen, dass das ein moralischer Fehler und schlecht war.“
Der 30-Jährige behauptete, wissenschaftliche Studien zur Schmerztherapie durchzuführen. Per Videochat-Programm Skype brachte er seine Opfer dazu, sich selbst lebensgefährliche Stromschläge zuzuführen. Sie bauten Apparate mit Löffeln oder ließen sich für die Stromschläge an einem Stuhl festbinden. Sein jüngstes Opfer war laut Anklage erst 13 Jahre alt.

Er soll dafür jeweils Geld geboten haben – mal 200, mal 450 Euro, sogar 1 500 oder 3 000 Euro. In manchen Fällen sollen sogar die Eltern der Mädchen bei den angeblichen wissenschaftlichen Versuchen geholfen haben. Ein Vater, so heißt es in der Anklage, versetzte seiner Tochter demnach mehrfach Stromschläge mit einem Elektroschockgerät.
Sowohl die Zufügung von Schmerzen mittels elektrischem Strom, als auch nackte Füße an sich sowie Fesselungen sind ein Fetisch des Angeschuldigten, hieß es in der Anklage. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es ihn sexuell erregte, wenn Frauen durch Strom Schmerzen erlitten. Sie fordert eine Verurteilung des 30 Jahre alten Angeklagten wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, Titelmissbrauchs und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches.

Die Verteidigung legt dagegen eine psychische Erkrankung des Angeklagten – das Asperger-Syndrom – nahe und plädierte auf eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen Titelmissbrauchs und wegen der Erstellung von Bildaufnahmen. Hilfsweise komme eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung beziehungsweise fahrlässiger versuchter Tötung in Frage. Sein Anwalt forderte außerdem, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung auszusetzen. Offen bleibt, warum so viele Frauen und Mädchen sich selbst verletzten, nur weil ein Mann aus dem Internet, den sie nie gesehen haben, ihnen das auftrug.

Vor Gericht waren schockierende Ausschnitte aus dem Videochat des Angeklagten mit seinen Opfern zu sehen. Eine junge Frau, die als Nebenklägerin in dem Verfahren auftrat, hielt sich dabei zwei unter Strom stehende Löffel an die Schläfen, bevor direkt danach der Strom ausfiel und der Chat unterbrochen wurde. Vor Gericht konnte sie nicht erklären, warum sie dies mitmachte. Aber sie konnte sagen, was sie dabei empfand: „Es hat sich angefühlt, als würde mein Gehirn brennen.“

dpa-infocom

 

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