22.10.2015

Spektakuläre OP im Deutschen Herzzentrum München

Bunte Luftballons hängen über dem Kinderbett. Noch etwas müde und schwach blickt der kleine Maxim auf den winzigen Kuchen, den ihm seine Mutter Ekatherina P. (29) mitgebracht hat. Eine rührende Geste. Denn dass ihr Söhnchen Maxim überhaupt seinen ersten Geburtstag feiern kann, grenzt für die junge Frau an ein Wunder.

Nur wenige Tage zuvor gelang es den Kinderherzchirurgen des Deutschen Herzzentrums München, Maxim mit einem spektakulären Eingriff das Leben zu retten. Prof. Rüdiger Lange, Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Deutschen Herzzentrums München, konnte dem da erst elf Monate alten Kind einen Bypass einsetzen: „Diese Operation ist so extrem schwierig, dass sie weltweit erst wenige Male durchgeführt wurde“, so der Herzchirurg. „Deshalb gibt es damit auch kaum Erfahrungswerte und so gut wie keine Literatur. Aber wir mussten es einfach versuchen. Sonst hätte Maxim nicht überlebt. Umso glücklicher sind wir, dass er es jetzt geschafft hat.“

Auf die Frage, warum eine Bypass-Operation bei einem Baby so selten und schwierig ist, während sie in der Erwachsenen-Chirurgie zur Routine gehört, antwortet Prof. Lange: „Das Herz eines Babys ist nur so groß wie eine Walnuss. Die Herzkranzarterien sind winzig. Die innere Brustwandarterie, die wir als Bypass an das linke Herzkranzgefäß aufgenäht haben, hat nur einen Durchmesser von insgesamt 0,8 Millimetern. Ihre Wände, die absolut dicht angeschlossen werden müssen, sind mit 0,2 Millimetern nicht viel dicker als ein Blatt Papier. Die hauchfeinen Nadeln und Fäden, die wir dazu verwenden, sind mit 0,05 Millimetern so dünn wie ein menschliches Haar. Diese ganzen feinen Strukturen müssen wir zuerst äußerst vorsichtig aus dem sie umgebenden Gewebe herauslösen, ohne sie zu beschädigen. Dazu kommt das Problem, dass es bei diesem Eingriff stark bluten kann. Die meiste Zeit haben wir daher auf die sorgfältige Blutstillung verwendet.“

Insgesamt dauerte der Eingriff, der mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine durchgeführt wurde, sechs Stunden. Danach lag Maxim zehn Tage im künstlichen Koma auf der Intensivstation und wurde maschinell beatmet. Prof. Lange: „Bis sich sein kleines und stark geschwächtes Herz erholen konnte, mussten wir ihn vorübergehend noch an ein Kunstherz anschließen. Das waren sehr kritische Phasen. Vor allem auch die Entwöhnung von dem Herzunterstützungssystem. Doch jetzt ist unser kleiner Patient endlich auf dem Weg der Besserung. Darüber sind wir sehr froh.“

Noch mehr freut sich natürlich Mutter Ekatherina, die im Gästehaus des Herzzentrums übernachtet und täglich von morgens bis abends an Maxims Bett steht: „Ich kann es noch gar nicht glauben, was die Ärzte für unseren Sohn alles getan haben. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar.“

Dann berichtet sie über die Monate zwischen Hoffen und Bangen, die jetzt Gott sei Dank hinter ihr liegen: „Als Maxim vor einem Jahr geboren wurde, war unsere Welt noch in Ordnung. Zusammen mit meiner siebenjährigen Tochter Sophia und meinem Mann Alexander waren wir eine glückliche Familie. Unser Baby schien gesund. Umso größer war der Schock, als Maxim eines Morgens plötzlich blau angelaufen in seinem Bettchen lag. Er bekam keine Luft mehr. Geistesgegenwärtig konnte ihn mein Mann wiederbeleben und mit zwei Fingern eine Herzdruckmassage durchführen. Der Notarzt brachte ihn in die Kreisklinik. Von dort wurde er nach Moskau ins dortige Herzzentrum gebracht. Die Untersuchungen ergaben, dass er an einem schweren angeborenen Herzfehler litt. Dann haben ihn die Ärzte operiert. Doch Maxim hat sich nie richtig erholt. Schwach und apathisch lag er im Bett, entwickelte sich nicht mehr, trank wenig und bewegte sich kaum.“

Inzwischen wussten die Eltern, woran ihr kleiner Sohn litt. Sein linkes Herzkranzgefäß, das den linken Herzmuskel mit frischem Blut versorgt, entsprang nicht aus der Hauptschlagader, sondern aus der Lungenarterie. Dort fließt allerdings sauerstoffarmes Blut. Dadurch erhielt der Herzmuskel zu wenig Sauerstoff.

Die Folgen waren so ähnlich wie bei einer schweren Herzkranzgefäß-Verengung: Maxim erlitt mehrere kleine Herzinfarkte, immer mehr Herzmuskelgewebe ging zugrunde. Das fiel den Eltern aber erst auf, als der Bub mit drei Monaten einen schweren Herzinfarkt erlitt und mit dem Leben rang. „Gott sei Dank haben wir ihn an diesem Morgen noch rechtzeitig gefunden und mein Mann konnte ihn reanimieren“, sagt Ekatherina P..

Im Internet suchte die Mutter nach Hilfe. Mit Hilfe der russischen Worldvita-Stiftung nahm sie Kontakt zu den drei führenden Kinderherz-Zentren in Deutschland auf: „Zwei Kliniken wagten es nicht, den riskanten Eingriff vorzunehmen und sagten uns ab. Professor Lange in München war der einzige, der sich bereit erklärte.“


Professor Ruediger Lange, Direktor der Klinik fuer Herz- und Gefaesschirurgie des Deutschen Herzzentrums Muenchen, erklaert Mutter Ekatherina P. an einem Herzmodell, wie er ihr Baby Maxim operiert hat. Foto: Deutsches Herzzentrum Muenchen

Den Münchner Kinderherzchirurgen ist Maxims angeborene Fehlbildung nicht unbekannt: „Das Baby litt unter dem sogenannten ALCAPA-Syndrom“, erklärt Prof. Lange. „Diese international übliche Abkürzung steht für Anomalous left coronary artery from pulmonary artery. Es ist ein sehr seltener Herzfehler. Von den über 700.000 Kindern, die in Deutschland pro Jahr geboren werden, kommen nur etwa 30 mit einem ALCAPA-Syndrom zur Welt. Hier muss man möglichst bald operieren und das linke Herzkranzgefäß von der Lungenschlagader auf die Aorta verpflanzen. Das tun wir in unserer Klinik etwa zweimal pro Jahr. Bei Maxim war es allerdings nicht mehr möglich, da er bereits in Moskau nach einer veralteten Technik voroperiert wurde und es inzwischen auch zeitlich zu spät für den in diesen Fällen üblichen Eingriff war. Somit blieb uns als letzte Möglichkeit nur noch der Versuch, einen Bypass anzulegen. Ein extrem komplizierter und hochriskanter Eingriff, worüber wir die Mutter auch aufgeklärt haben. Aber sie war einverstanden und wollte ihrem Baby diese letzte Chance nicht nehmen. Denn ohne Operation hätte Maxim nur noch etwa sechs Monate zu leben gehabt. Seine Herzfunktion lag nur noch bei zehn Prozent.“


An diesem sehr seltenen angeborenen Herzfehler litt der kleine Maxim: Beim „Anomalous left coronary artery from pulmonary artery-Syndrom = ALCAPA“ entspringt die linke Herzkranzarterie nicht aus der Hauptschlagader (Aorta), sondern irrtuemlicherweise aus der Lungenschlagader (pulmonary Artery), die jedoch sauerstoffarmes Blut (hier blau markiert) fuehrt. Dadurch bekommt der Herzmuskel zu wenig sauerstoffreiches Blut (rot).Foto: US National Library of Medicine

Auch Prof. Lange ist froh, dass der Eingriff vor zwei Wochen erfolgreich verlief: „Das verdanken wir dem Umstand, dass das kinderherzchirurgische Spezialisten-Team unserer Klinik jährlich rund 800 kleine Patienten operiert, darunter rund 200 Babys und Säuglinge. Nur mit dieser großen Erfahrung kann so ein Eingriff überhaupt gelingen.“

Mehr Informationen zum Deutschen Herzzentrum München finden Sie hier:

Deutsches Herzzentrum München

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